Schlatts in Natura 2000-Gebieten

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In diesem Jahr werden zwei FFH-Gebiete (Kammmolchbiotop Bassum und Kammmolchbiotop Syke), die Schlatts enthalten, durch Natur- und Landschaftsschutzgebiete gesichert. Deshalb wollen wir kurz erklären, was Schlatts überhaupt sind.

Der Artikel der Stiftung Naturschutz Diepholz aus dem Gingko Blatt 2004 führt in das Thema Schlatts ein. Er wurde von Gunnar Becker (Dipl. Geograph) verfasst.

Verschollene „Schlatts“ neu entdecken

Nachdem die Stiftung Naturschutz seit fast 20 Jahren bestehende Schlatts, die in

Kammmmolchbiotop
Kammmolchbiotop bei Bassum (Bild; Jan Kanzelmeier)

ihren ökologischen Funktionen häufig stark beeinträchtigt waren, saniert und naturnah entwickelt hat, geht es jetzt um die Wiederherstellung historischer Schlattstandorte. Diese Standorte sind heute in der Kulturlandschaft verschwunden. Nach Starkniederschlägen ist ihre ursprüngliche Ausdehnung aber noch zu erkennen. Um Aussagen über die Wiederherstellbarkeit dieser ehemaligen Schlatts machen zu können, hat die Stiftung Naturschutz für einige Bereiche hydrogeologische Gutachten in Auftrag gegeben. Die grundsätzlichen Ergebnisse dieser Gutachten einschl. der Entstehungsgeschichte werden im Folgenden dargestellt.

Das Eiszeitalter in Nordwestdeutschland

Die Oberflächengestalt Norddeutschlands wurde während der vergangenen 2 Mio. Jahre durch das Eiszeitalter (Quartär) geprägt. Die Gletscher und Schmelzwasserflüsse der Elster- (350 000 – 250 000 Jahre vor heute) sowie der Saale-Kaltzeit (235 000 – 125 000 Jahre vor heute) brachten große Mengen an Geschiebelehm (steiniger Lehm, Grundmoräne) und Schmelz-wassersand (Sand, z.T. Kies, z.T. steinig) nach Nordwestdeutschland, aus denen unsere heutige Landschaft aufgebaut ist. Während der Vereisungsperioden war Nordwestdeutschland von einem ca. 500 – 1000 m mächtigen geschlossenen Eispanzer überdeckt.

Diese beiden Kaltzeiten wurden durch die Holstein-Warmzeit unterbrochen. Auf die Saale-Kaltzeit folgte die ca. 10 000 Jahre andauernde Eem-Warmzeit. Während der Warmzeiten herrschten ähnliche klimatische Verhältnisse wie heute.

In der letzten Kaltzeit, der Weichsel-Kaltzeit (115 000 – 10 000 Jahre vor heute) erreichte das nordische Inlandeis (Gletscher) nicht mehr das heutige Niedersachsen. Bei sehr kaltem (arktischem bis tundrenartigem) Klima konnte sich allerdings lediglich eine lückenhafte Vegetation aus Gräsern, Flechten, Moosen und wenigen Kräutern ausbilden.

Es herrschte Permafrost, der Boden war dauerhaft bis in große Tiefen gefroren und taute in den Sommermonaten nur bis in ca. 0,6 m Tiefe auf.

Unter anderem wurde in dieser Zeit der im Landkreis Diepholz weit verbreitete Sandlöss abgelagert, der heute für eine relativ gute Bodenfruchtbarkeit sorgt.

Gebiete, die durch die Gletscher der Saale-Kaltzeit geprägt wurden, aber in der Weichsel-Kaltzeit nicht mehr vereist waren, werden als Altmoränengebiete oder Geest bezeichnet.

Neben Hochflächen und Talsystemen entstanden in den kalten Perioden des Eiszeitalters (Eiszeiten, Kaltzeiten) geschlossene Senken, die später teils als Seen, Tümpel oder als Moore in Erscheinung traten und von denen einige bis heute erhalten geblieben sind.

Besonders viele zumeist kleine Seen, Tümpel und Moore befanden sich bis Mitte des letzten Jahrhunderts im Landkreis Diepholz. Sie werden hier im regionalen Sprachgebrauch als „Schlatts“ bezeichnet.

Für die Entstehung solcher geschlossener Senken (Hohlformen) gibt es verschiedene Möglichkeiten. Nachfolgend werden mit den Ausblasungswannen und Toteislöchern die beiden für den Landkreis Diepholz hauptsächlich zutreffenden Entstehungsarten beschrieben.

Abbildung 1: Profilschnitt "echtes Schlatt" = Ausblasungswanne = Deflationswanne (idealisiert) (G. Becker)
Abbildung 1: Profilschnitt „echtes Schlatt“ =
Ausblasungswanne = Deflationswanne (idealisiert)
(G. Becker)
Ausblasungs- (Deflations-)wannen (=Schlatts)

Ausblasungsfähiges Material (Sand oder Sandlöss) wird durch Wind abgetragen, so dass sich eine Senke bildet. Für diesen Vorgang darf höchstens eine lückenhafte Vegetationsdecke vorhanden sein. Dies war zuletzt während der Heidebauernzeit durch Überweidung und Plaggenhieb und davor während der Weichsel-Kaltzeit der Fall.

Abbildung 2: Abschmelzender Gletscher mit Toteisblöcken, Eisfreie Landschaft mit Wasser gefüllten Toteislöchern
Abbildung 2: Abschmelzender Gletscher mit Toteisblöcken, Eisfreie Landschaft mit Wasser gefüllten Toteislöchern
Toteislöcher (=Sölle)

Beim Abtauen der eiszeitlichen Gletscher zurückgebliebene einzelne Eiskörper versinken im durch Schmelzwasser aufgeweichten Untergrund. Bei weiterer Erwärmung des Klimas tauen sie ab und es entstehen geschlossene Senken, die teils bis heute Wasser gefüllt sind. Toteislöcher konnten im Gebiet letztmalig in der Saale-Kaltzeit entstehen.

Weitere hier nicht näher erläuterte Entstehungsmöglichkeiten sind „Pingos“, Strudellöcher, Meteoritenkrater und Erdfälle.

Entstehung der „Schlatts“ im Landkreis Diepholz nach neueren Ergebnissen
Schlatt
Schlatt im Kammmolchbiotop Syke (Bild: Jan Kanzelmeier)

Ein Großteil der geschlossenen Senken im Landkreis befindet sich im ausgedehnten Syke-Goldenstedter Sandlössgebiet. Da der Sandlöss (Flottsand) ein ausblasungsfähiges Material ist und die meisten der Senken recht flach sind, wurde bisher davon ausgegangen, dass sie durch Windausblasung in der letzten Kaltzeit (Weichselkaltzeit) oder in der Heidebauernzeit entstanden sind.

Die durch die Stiftung Naturschutz initiierten neueren geologischen Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Schlatts im Landkreis keine Ausblasungswannen sind. Der Sandlöss ist in der Senke nicht weniger mächtig als in der Umgebung der Schlatts. Bei einer Entstehung durch Ausblasung wäre eine gegenüber der Umgebung wesentlich geringere Mächtigkeit im Schlatt zu erwarten (s. Abb. 1). Zudem sind die tieferen und ältern Schichten offensichtlich abgesackt (s. Abb. 3). Daher ist die Entstehung als Toteisloch zum Ende der saalezeitlichen Vereisung wahrscheinlich.

Abbildung 3:  Profilschnitt und Wasserhaushalt eines Toteislochs in der Scholener Heide nördlich Schwaförden. (G. Becker)
Abbildung 3:
Profilschnitt und Wasserhaushalt eines Toteislochs in der Scholener Heide nördlich Schwaförden. (G. Becker)
Wasserhaushalt

Die Wasserversorgung der Schlatts erfolgt v.a. über das Niederschlagswasser. Bei hohen Grundwasserständen erfolgt eine zusätzliche Speisung aus dem Untergrund. Der im Gebiet verbreitete, dicht gelagerte Sandlöss verhindert als Stauschicht die schnelle Versickerung des Niederschlagswassers. In den Senken ist der Sandlöss von anmoorigem Schluff (Staubsand) überdeckt, von dem eine zusätzliche Stauwirkung ausgeht. Daher sind die Schlatts in gewissem Maße unabhängig von den durch Entwässerungsmaßnahmen in vielen Gebieten stark abgesenkten Grundwasserständen.

Trotz der Stauschichten ist heute der Geländewasserhaushalt der meisten ehemals Wasser führenden oder feuchten Schlatts stark gestört. Die Ursache liegt meistens in verschiedenen Beeinträchtigungen:

  • Künstliche Auffüllung
  • Gräben und Drainagen im Schlatt und in unmittelbarer Nähe
  • Bebauung
  • Zerstörung der Stauschichten
  • Eutrophierung
  • Acker- und Intensivgrünlandnutzung
  • Grundwasserabsenkungen
Wiederherstellung

Die weitgehende Wiederherstellung der als Lebensraum und für das Landschaftsbild sehr wertvollen Schlatts ist bei Einverständnis der Flächeneigentümer und Anlieger in den meisten Fällen recht einfach und Erfolg versprechend. Je nach Art der Beeinträchtigung sind dafür folgende Maßnahmen notwendig:

  • Beseitigung von künstlichen Auffüllungen
  • Beseitigung von Drainagen u. Gräben im Schlattbereich
  • „Reperatur“ evtl. beschädigter Stauschichten
  • Anpassung der Nutzung im Umfeld
  • Wiederanhebung der Grundwasserstände

 

Gunnar Becker (Diplom Geograph)

Weiterführende Literatur:

  • EHLERS, J. (1994): Allgemeine und historische Quartärgeologie. 358 S.; Enke Verlag Stuttgart
  • BENDA, L [Hrsg.] (1995): Das Quartär Deutschlands.-:23-58; Gebrüder Bornträger, Berlin – Stuttgart.